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Fassungslosigkeit. Und was wir daraus machen.
Seit dem ersten Nachrichten-Check am Mittwoch morgen bewegt mich die gleiche Emotion: Fassungslosigkeit.
Ich bin fassungslos darüber, dass das amerikanische Volk tatsächlich nochmal Trump wählt. Und gleichzeitig seine republikanische Partei die Mehrheit im Senat und im House holt. Im Supreme Court sind die erzkonservativen Richter bereits in der Mehrheit. Mit deren Entscheidung aus diesem Sommer, dass der Präsident über dem Gesetz steht, gibt es jetzt nichts mehr, was Trump stoppen kann.
Ab Januar 2025 kann Trump seine angekündigten Pläne (Project 2025) umsetzen: 15 Millionen Menschen ausschaffen, darunter amerikanische Staatsbürger. Das Militär gegen die «Enemies from within», also alle Linken und andere die ihm nicht passen, einsetzen. Sich wie ein Diktator aufführen, «zumindest für einen Tag», was immer das auch heisst.
Wie kann es sein, dass ein 34-facher «Felon», also Schwerverbrecher, überhaupt zur Wahl stehen darf? Die gleichen Republikaner im Parlament, die vor seinen Anhängern flüchten mussten, als diese am January 6th gewaltsam das Kapitol stürmten, hätten ihn beim Impeachment verurteilen können. Und haben das aus schierem Machtkalkül nicht getan.
Dabei ist nicht einmal die Begrenzung auf zwei Terms ein Trost: Trump hat schon angekündigt, dass man nur noch dieses eine Mal für ihn wählen muss. Falls er die Regeln dafür ändern möchte, um Präsident «for Life» bleiben zu können, steht ihm Niemand im Weg: Weder Senat, noch House, noch Supreme Court.
Folgen für Europa
Und in Europa? Trump wird als Putin-Freund wohl die amerikanische Unterstützung für die Ukraine entziehen. Vielleicht besiegelt der heutige Tag das Ende der Ukraine als souveränen Staat. Putins Russland kann sich künftig ohne Angst weitere osteuropäische Staaten einverleiben.
Das ganze ist ein Alarmzeichen dafür, wie fragil unsere Demokratien und Gesellschaften sind. Wie instabil das politische System ist, wie leicht sich die politische Meinungsbildung sabotieren lässt. Die amerikanische Gesellschaft war trotz mehrerer Geheimdienste nicht fähig, die Einflussnahme auf Medien und Politik durch Russland und co. abzuwehren.
Medienkrise
Die Medienkrise schlägt in den USA wie hier mit aller Härte zu: Seriösen Journalismus kriegt man nicht finanziert, Boulevardjournalismus und Social-Media-Plattformen mit Engagement-Clickbait dagegen schon. Rupert Murdochs rechtsextremes News-Netzwerk Fox News in den USA muss zwar zwischendurch 3-stellige Millionenbeträge wegen ihrer Fake-News bezahlen, operiert aber ansonsten unverändert. Die NZZ flirtet seit langem mit rechts, und übernimmt mit Themen wie «Remigration» nicht nur das Vokabular, sondern gleich die Forderungen der rechtsextremistischen AFD. Öffentlich-rechtliche Medien wie die SRF sind unter Dauerbeschuss der Rechten. Tamedia hat sich derweil fast alle anderen Medien einverleibt und spart Redaktionen zusammen. Und Social-Media-Plattformen pushen alles was triggert, verdienen an Werbung und müssen für keine Fehlinformation und Gewaltaufrufe haften.
Was machen wir jetzt?
Es ist höchste Zeit, dass wir in Europa (und ja, da gehören wir als Schweiz auch dazu) unseren «Shit together» kriegen: Wir können uns in der Weltpolitik nicht immer auf die Unterstützung der USA verlassen. Wir müssen eine unabhängige Medienlandschaft gewährleisten, schlicht weil die unabhängige Meinungsbildung sonst nicht mehr funktioniert. Wir müssen eine ordentliche Regulierung beibehalten (die EU sind die einzigen, die hier die Tech-Firmen ein wenig im Zaum halten).
Und wir müssen unsere kritische Infrastruktur souverän betreiben, da gehört besonders die digitale Infrastruktur dazu: Liebe Regierung (Stichwort Swiss Public Cloud), liebe Banken, liebe Anwaltskanzleien, überlegt euch das nochmal mit dem Fokus auf amerikanische Public Clouds.
Wir müssen unsere politische Kultur leben und verbessern. Dabei können wir alle etwas tun. Du bist Teil der Politik, Teil des Staates und Teil der Gesellschaft. Was machst Du morgen anders?
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